Vorlese-König in Hemsbach gekürt
Stellt man einer Künstlichen Intelligenz (KI) wie „ChatGPT“ die Frage, was man sich unter dem Begriff „Vorlesen“ wohl vorzustellen habe, so erhält man beispielsweise folgende Antwort:
„Vorlesen“ ist ein kommunikativer Akt, bei dem ein Individuum mündlich einen Text oder eine Geschichte präsentiert und dabei für einen oder mehrere Zuhörer den Inhalt des Geschriebenen vermittelt. Dieser Prozess beinhaltet die Umwandlung von schriftlichen Informationen in gesprochene Worte, wodurch eine direkte Übertragung von Gedanken, Ideen oder Geschichten ermöglicht wird. In seiner abstrakten Essenz ist das Vorlesen eine kreative und interaktive Form der sprachlichen Übermittlung von Konzepten und Geschichten.
Das klingt ziemlich langweilig – um es einmal vorsichtig auszudrücken – und hat mit dem, was am Dienstag, dem 12. Dezember in der Bibliothek des Bergstraßen Gymnasiums passierte, herzlich wenig zu tun. An diesem Tag fand nämlich der alljährliche Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels statt. Hierzu traten aus jeder 6. Klasse der Schule zwei Sieger*innen an.
Los ging es mit der Klasse 6a, für die Emil Nentwich und Emelie Weiler an den Start gingen. Während Emil aus dem 6. Band der abenteuerlichen „Woodwalkers“-Serie von Katja Brandis vorlas, hatte sich Emelie für den spannenden Sylt Krimi „Lachmöwe“ von Gisa Pauly entschieden.
Danach folgte die Klasse 6b; Jonathan König setzte auf einen Band der Kult-Serie „Die drei ??? Kids“ mit dem Titel „Alarmstofe Rot“ von Christoph Dittert. Jonathan las den Höhepunkt des Buches vor: Eine aufregende Verfolgungsjagd, in die die drei Detektive nach dem Besuch einer Monster-Truck-Show geraten sind.
Weiter ging es mit Asslam und Hamide, zwei türkischen Kindern, deren Abenteuer der bekannte Sams-Autor Paul Maar in seinem Buch „Lippels Traum‟ schildert. Maya Midzic aus der Klasse 6b hatte sich dieses phantastische Buch ausgesucht.
Ohne Pause folgte Shirwan Vafadari aus der Klasse 6c, der einen Titel aus der von vielen heiß geliebten „Luzifer junior“ Reihe von Jochen Till ausgewählt hatte.
Mit dem Fantasy-Titel „Drachenreiter“ der Bestseller-Autorin Cornelia Funke rund um den silbernen Drachen Lung beendete Hanna Schäfer aus der 6c den ersten Teil des Wettbewerbs.
Nach einer kurzen Pause ging es dann in die zweite Runde. Hier galt es nun, aus einem unbekannten Buch vorzulesen. Dieses Jahr war die Wahl auf „So einen wie mich kann man nicht von den Bäumen pflücken, sagt Buster“ des dänischen Autors Bjarne Reuter gefallen.
Buster, der mit vollem Namen Buster Oregon Mortensen heißt, steckt voller verrückter Ideen; so ist er zum Beispiel ein Zauberer, der so manch erstaunlichen Trick aus dem Ärmel schüttelt. Zu Hause gibt es allerdings meist nicht viel zu lachen; sein Vater ist arbeitslos, seine Mutter Putzhilfe und seine kleine Schwester Ingeborg hat eine Gehbehinderung, wegen der sie in der Schule gehänselt wird. Doch Buster wäre nicht Buster, wenn es ihm nicht immer wieder gelänge, alle Herausforderungen zu meistern und ein Lächeln aufs Gesicht seiner Mitmenschen zu zaubern.
Tapfer lasen sich alle Sechstklässler*innen durch den gewiss nicht immer ganz einfachen Text, der etliche Stolpersteine wie „Frederikssundsvej“ (eine Hauptverkehrsader in Kopenhagen) zu bieten hatte.
Dann war der Moment gekommen, auf den alle gewartet hatten, die Jury verkündete nach kurzer Beratung ihr Urteil: Der diesjährige Sieger ist Jonathan König aus der Klasse 6b. Unter dem begeisterten Jubel seiner Mitschüler*innen nahm er seinen Preis entgegen; neben einem Buch und einer Urkunde, die ihm der Vorjahressieger Bjarne Burkert überreichte, erhielt Jonathan noch die Einladung, Anfang nächsten Jahres beim Regionalentscheid teilzunehmen. Wer hier gewinnt, ist noch offen. Eines ist jedoch sicher, es wird gewiss keine Künstliche Intelligenz sein, denn solange es noch solch hervorragende Vorleser*innen wie die Sechstklässler des Bergstraßen-Gymnasiums gibt, hätte sie ohnehin keine Chance.
Text/ Foto: Sid